39. DLR-Parabelflugkampagne (PROSTATE-III)
Wir haben mit dem Experiment "Der Einfluss kurzzeitiger Mikrogravitation auf menschliche Prostatakarzinomzellen während eines Parabelflugs (PROSTATE-III)" an der 39. DLR-Parabelflugkampagne am Flughafen Bordeaux-Merignac teilgenommen.
WAS: | An Bord des AirZeroG haben wir die Effekte von kurzzeitiger Mikrogravitation auf humane Prostatakarzinomzellen untersucht. |
WANN: | 29.08.-09.09.2022 |
WO: | Flughafen Bordeaux-Merignac, Frankreich |
WISSENSCHAFTLICHE ZIELSETZUNG:
Für Prostatakrebs (PC), die zweithäufigste Krebstodesursache in der männlichen Bevölkerung der westlichen Länder, prognostiziert die American Cancer Society 268.490 neue Fälle allein in den USA im Jahr 2022. PC beginnt in erster Linie im höheren Lebensalter und hat bei lokaler Begrenzung meist eine gute Prognose, die 5-Jahres-Überlebensrate sinkt jedoch drastisch von 100 % auf 31 %, wenn Metastasen auftreten. Die frühzeitige Behandlung von PC ist eine Herausforderung, und Transkriptionsstudien zu Faktoren, die die Genese von Prostatakarzinomen beeinflussen, könnten dazu beitragen, das diagnostische Portfolio um neue Biomarker für die Früherkennung zu erweitern. Die Zelllinien LNCaP und PC-3 wurden aus Metastasen des menschlichen Prostata-Adenokarzinoms gewonnen und ursprünglich aus einem Lymphknoten (LNCaP) bzw. einer Knochenmetastase (PC-3) isoliert. Die Behandlung von PC-3-Zellen mit DHT stimuliert nicht die Aktivität eines Androgenrezeptor (AR) Reporters. LNCaP ist AR-positiv, weist ein androgensensitives Wachstum auf, ist hochgradig resistent gegen menschliches Fibroblasten-Interferon und zeigt einen aneuploiden männlichen Karyotyp. Im Vergleich zur Prostatakrebs-Zelllinie PC-3 weist LNCaP ein viel komplexeres Mutationsschema auf. Während bei PC-3 eine homozygote Mutation in TP53 und ein Verlust von PTEN als Ursache für die Krebsentstehung vermutet werden, zeichnet sich LNCaP durch eine hohe Anzahl von mutmaßlich inaktivierenden somatischen Punkt- und Indel-Mutationen aus. Frühere Studien untersuchten die nachhaltige Wirkung von Schwerkraftveränderungen auf die Tumorentstehung, einschließlich Veränderungen des Zytoskeletts und der fokalen Adhäsion sowie Veränderungen der Differenzierung und Proliferation. Das Parabelflug-Experiment wird zur Identifizierung von Transkripten führen, die frühzeitig auf Schwerkraftveränderungen reagieren. Die Verknüpfung dieser frühen Reaktionen mit typischen PC-Mechanismen wie unkontrollierter Proliferation, erhöhter Überlebensrate und aktiviertem Invasionspotenzial und insbesondere der Vergleich der durch Schwerkraft induzierten Veränderungen der Genexpression zwischen den Zelllinien LNCaP, PC-3 und DU-145 (PROSTATE-II) wird neue relevante Erkenntnisse für die Krebsforschung und die Prostatakrebstherapie liefern.
TECHNISCHE BESCHREIBUNG DES EXPERIMENTS:
Wir werden die LNCaP- und PC3-Prostatakrebs-Zelllinie während der 39. DLR-Parabelflugkampagne verwenden, um ihr Verhalten bei Änderungen der Gravitation zu vergleichen. Vor der ersten und nach der ersten und letzten Parabel wird ein Teil der Zellen in ihrem aktuellen physiologischen Zustand chemisch fixiert. Die Zellen werden in der Fixierlösung aufbewahrt und in unser Labor in Magdeburg transportiert. Dort werden wir OMICS-Methoden (Transkriptomik und Proteomik) anwenden, um Veränderungen in den Genexpressionsmustern der Zellen zu identifizieren. Unser besonderes Interesse gilt der transkriptomweiten Identifizierung von frühen Ansprechern auf Schwerkraftänderungen in LNCaP und PC-3. Die auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Analyse aller drei Zelllinien LNCaP, PC-3 und DU-145 (PROSTATE-II) wird Aufschluss über zelllinienspezifische und PC-spezifische Schlüsselmechanismen der Genregulation geben. Die KI-Analysen werden im Rahmen des vom DLR geförderten Verbundprojekts AIMS (Laufzeitbeginn: September 2022) durchgeführt. Um die Relevanz einzelner Biomarker zu untersuchen, wird ein modulares neuronales Netz (NN) mit erklärbaren Komponenten wie der schichtweisen Relevanzpropagation (LRP) eingesetzt.
ANWENDUNGEN DER FORSCHUNG:
Der Einfluss von Schwerkraftveränderungen auf krebsrelevante Gene und Signalwege ist gut dokumentiert. Insbesondere die schlechte Prognose von metastasiertem PC spricht für den Bedarf an früh erkennbaren Biomarkern für Diagnose, Prognose und Therapie. Wir erwarten, dass das Parabelflugexperiment helfen wird, genau diese Biomarker zu identifizieren und damit die Krebsbehandlung einen Schritt weiterzubringen.
Beteiligt vom MTRM: Daniela Melnik (Organisation), Herbert Schulz (Organisation), Viviann Sandt, José Luis Cortés Sánchez
Weitere Beteiligte: Thomas Corydon (Aarhus University)